Sektionsgedicht
Historische Anleitung zur Sektion in Versen
Die folgende Anleitung zur Sektion in Versen entstand Ende des 19. Jahrhunderts am Pathologischen Institut in Straßburg. Sie beschreibt den Ablauf der vor allen Dingen von Rudolf Virchow hinsichtlich Vollständigkeit und Aufeinanderfolge standardisierten Autopsie. An ihrem Ablauf hat sich bis heute wenig geändert.
In Unterschied zu früher wird Medizinstudenten jedoch heute nicht mehr ihre fachgerechte Durchführung abverlangt, anders als Ende des 19. Jahrhunderts in Straßburg. So war denn der Anlaß für die Verfassung des Gedichtes ein mnemotechnischer - in den Worten des Dichters:
"Beim Werke, das wir jetzt beginnen,
Stellt mancher sich so tapsig an,
Scheint mancher manchmal so von Sinnen,
Daß der es nur begreifen kann,
Der selber im Amphitheater
Gestanden ohne Notberater.
So hab´ auch ich einst mitgemacht,
So wurd´ auch ich einst ausgelacht.
Doch seht, mit meinem guten Herzen
Möcht´ ich euch sparen solche Schmerzen.
Ich mach´, ist´s auch nach Tag und Jahr,
Ein alt´ Versprechen doch noch war;
Ich hoff´, daß niemand drüber muckt,
Erscheint es schwarz auf weiß gedruckt!"
"Es ist der Bauch mit vielen Dingen,
Auch wenn er leer ist, angefüllt;
Wie die gradatim man enthüllt,
Zu merken will oft schwer gelingen.
Zu End´ ist fortan diese Pein:
Ich pauk´ es Euch mit Versen ein!"
Die mit viel Witz, Humor und nicht zuletzt examensvorbereitender Detailiertheit verfaßten Verse bekunden den Siegeszug der Virchowschen Standardsektion, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der Medizin längst zur weltweit akzeptierten und praktizierten SOP (standard operating procedure) avanciert war.
Der in den Versen häufig als "Meister" oder schlicht als "er" apostrophierte Prüfer ist kein geringerer als der Pathologiedirektor Friedrich von Recklinghausen, einer der berühmtesten Mediziner der Straßburger Universität gegen Ende des 19. Jahrhunderts.