Deutsch Intern
    Pathologisches Institut

    Gehirn

    Sektionsgedicht: Herausnahme des Gehirns

    Es gilt verschied´nes zu durchschneiden:
    Den Riechnerv erst und dann den zweiten,
    Worauf sich beide Karotiden
    Sogleich der Messerklinge bieten.
    Jetzt rechts, dann links den Schädel legen –
    Es ist das des Tentoriums wegen,
    Das hinten hart am Felsenknochen
    Von innen her wird abgestochen.
    Es stützet das Gehirn gewandt
    Von jetzt an deine linke Hand.

    Es folgen dann am Augenspalt
    Vier weit´re Nerven alsobald.
    Durchschneid´ sie alle möglichst tief,
    Sonst geht es später dir wohl schief!
    Vom Fünften dann zwei Äste noch
    Am runden und ovalen Loch.
    Der Siebt´ und Achte treten ein
    Mehr hinten in das Felsenbein,
    Die neunten, zehnten, elften Paare,
    Je am Foramen jugulare.
    Durchschneid´ das Kopfmark drauf recht tief;
    Der Schnitt geht meistens etwas schief.

    Das Hirn nun fast zu Boden fällt;
    Nur an den Vertebrales hält
    Es eben wie an einem Faden.
    Durchtrenn´ auch diese – fort mit Schaden!

    Und jetzt versuch´ dich mit der Waage!
    Wie dir´s  gelingt, das ist die Frage!

    Mein lieber Freund, ein wenig schneller
    Greif nach dem saubern Hartholzteller!
    Und mit der Oberseite jetzt
    Gleich das Gehirn daraufgesetzt.
    Rasch wasch´ auch einmal deine Hände,
    Und nun zur Schädelbasis wende
    Den Blick nochmals gemess´ne Zeit,
    Ob darin etwa Flüssigkeit,
    Tumoren oder gar Fissuren,
    Ob and´re patholog´sche Spuren;
    Die Sinus jetzt noch aufgemacht:
    So wär´ auch dieser Teil vollbracht!

    In der Fissure Silvii
    Fein sorgsam nach Tuberkeln sieh,
    Worauf dieselbe schleunigst wird
    Mit flacher Klinge präpariert.
    Nun hast du das Gehirn zu wenden
    Das Kopfmark nach dem Obduzenten.
    Die Pia weiter beiderseit
    Den großen Kanten nach durchschneid´;
    Sie wird nach außen abgezogen,
    Doch gilt´s vorsichtig hier zu proben,
    Ob fest, verwachsen, trüb sie sei;
    Das alles ist nicht einerlei.

    Ist das Gehirn schon weich und schmierig,
    Wird jetzt die Sache gründlich schwierig,
    Und auch wenn es noch ganz normal,
    Gelingt es doch nicht allemal.
    Da kann  man seine Kunst erst zeigen;
    Der Rest ist freilich meistens ... Schweigen!