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    Pathologisches Institut

    Puerperalsepsis

    Die Einstellung Virchow zu Ignaz Semmelweis´ Aufklärung der Ursachen der Puerperalsepsis

    Virchows Verhalten gegenüber Semmelweis´ Entdeckung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Durchführung von Autopsien in Verbindung mit nachfolgender geburtshilflicher Betätigung und dem massenhaften Auftreten der Puerperalsepsis ist aus mehreren Gründen von besonderem Interesse:

    • Er war als Pathologe ein Vertreter derjenigen Fachrichtung, deren fortschrittliches Wirken tragisch mit einer der größten iatrogenen Katastrophen des 19. Jahrhunderts verknüpft war.
    • Sein Schwiegervater, Prof. Carl Mayer, war Vorsitzender der Berliner Gesellschaft für Geburtshilfe.
    • Der Leiter der damals renommierten Würzburger Frauenklinik, Ritter Kiwisch von Rotterau, war ein guter Bekannter Virchows.

    Die iatrogene Katastrophe in der Wiener Gebäranstalt um die Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich parallel zur Blüte der sog. Neuen Wiener Schule unter Führung des berühmten Pathologen Karl Rokitansky, der den Sektionssaal ins Zentrum des Medizinstudiums rückte.

    Semmelweis kam dem Zusammenhang kurz vor Virchows Berufung nach Würzburg auf die Spur (1847). Die sensationelle These breitete sich rasch aus und war Virchows gynäkologischen Kollegen in Würzburg durchaus geläufig. So fuhr Kiwisch von Rotterau, bei dem Virchow in den ersten Wochen seiner Würzburger Tätigkeit zu Mittag aß, im Winter 1848/49 nach Wien, um sich vor Ort ein Urteil zu bilden, das allerdings negativ ausfiel.

    Natürlich kannte auch Virchow das Phänomen. Unter den zahlreichen Leichen, die der Prosektor damals in Würzburg sezierte, waren auch an Kindbettfieber gestorbene Frauen, z.B. "Anna Maria Keller, 22 Jahre alt, von Rieden, wurde am 22. Februar 1853 normal entbunden, erkrankte am 26. an Puerperalfieber, wurde am 28. von der Gebäranstalt in das Juliusspital gebracht und starb daselbst am 2. März, nachmittags 3 Uhr."

    Als Wissenschaftler war Virchow zu klug, um die Ablehnung der Semmelweis´schen Hypothese durch seine gynäkologischen Kollegen unbesehen zu übernehmen. Er blieb ihr gegenüber jedoch lange Zeit skeptisch und bezweifelte, daß jeder Fall von Kindbettfieber auf „Leichengift“ zurückgehe. Offenbar konnte auf diesem für Pathologen heiklen Gebiet selbst ein so genialer Mediziner wie Virchow, der sich gerade auch in der Sozialmedizin große Verdienste erworben hatte, die Empirie nicht vorbehaltlos und bereitwillig akzeptieren. Der Tenor seiner Stellungnahme kommt gut zum Ausdruck in der Vorlesungsmitschrift eines seiner Würzburger Studenten sowie in seinem Vortrag 1858 vor der Berliner Gesellschaft für Geburtshilfe.

    Verärgert über seine weitgehende Ablehnung durch das medizinische Establishment, kritisierte Semmelweis in seiner epochalen, 1860 erschienenen Publikation „Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers“ unter seinen zahlreichen Gegnern auch den mittlerweile dank der Verbreitung seiner Zellularpathologie zu großer Berühmtheit gelangten Virchow (Semmelweis über Virchow).