Reiberei
Reiberei mit Katholik auf Virchows Abschiedsfeier geschildert durch seinen Schüler Ernst Haeckel
Nach Virchows Entschluß zur Rückkehr nach Berlin fand am 19. 7. 1856 ihm zu Ehren in Würzburg eine große akademische Abschiedsfeier statt, auf der ein orthodoxer Katholik, den die antiklerikale Einstellung des liberalen Berliners schon lange geärgert hatte, Virchow ein letztes Mal zu provozieren suchte. Virchows Doktorand und Assistent Ernst Haeckel schilderte seinen Eltern in einem Brief 2 Tage später den Vorfall:
"Von den geladenen Gästen, nämlich sämtliche Professoren der Universität, waren nur etwa die Hälfte da, darunter jedoch einer, dessen Anwesenheit uns furchbar ärgerte und wirklich ein Meisterstück von Frechheit und Unverschämtheit war. Es war dies ein Professor der Mathematik, Mayr, ursprünglich Jesuitenschüler und katholischer Pfaff, der nicht nur Virchow und Kölliker wegen Entweihung der Sonntagsfeier öfter denunziert hatte, sondern auch sonst in der schuftigsten Weise als geheimer und öffentlicher Feind derselben aufgetreten war. Dieser infame Kerl hatte nun die Frechheit, sich Virchow grade gegenüber zu setzen, obgleich ich ihm zweimal zurief, daß dieser Platz reserviert sei. Das war denn doch zu toll, und ich organisierte eine förmliche Kabale gegen ihn, durch die ich ihn auch glücklich bald entfernte. Zuerst stellte ich mich mit mehreren Bekannten unmittelbar vor ihn hin, als er im Saal umherging, und brachte ein lautes Pereat auf die Jesuiten und Ultramontanen, die Männer der Lüge und des Scheins, aus. Dies brachte ihn schon ganz in Wut und außer Fassung, noch mehr aber die Reden, welche ihm zwei Bekannte, die sich neben ihn setzen mußten, über Virchows Verdienste um Freiheit und Liberalismus des Denkens und Glaubens, usw. halten mußten. Er drückte sich schleunigst infolgedessen, worauf ich ihm aus dem Torweg noch nachrief, daß es allerdings sehr passend wäre, wenn die ultramontanen Spione sich beizeiten drückten."