Intern
    Pathologisches Institut

    Abschiedsfeier

    Virchows Abschiedsfeier in Würzburg 1856 in der Schilderung durch seinen Schüler Ernst Haeckel

    Virchow wurde in Würzburg von seinen Kollegen und Schülern am 9. 7. 1856 mit einem großen Fest verabschiedet, welches sein Assistent Ernst Haeckel besuchte und in einem Brief an die Eltern vom 21. 7. wie folgt beschrieb:

    "Am Sonnabend, 19. 7. abends, gaben wir, d.h. eine Auswahl von 120 Medizinern, Virchow das feierliche Abschiedsfest, ein grand Souper mit Bier im "Englischen Garten". Da es bald im Freien zu kühl wurde, mußten wir hineingehen und das feierliche Abendessen in den sehr hübsch dekorierten Sälen begehen. Als Virchow um halb sieben Uhr kam, wurde er mit feierlichem Tusch von den Musikern und Hurra von uns empfangen. Dann hielt Beckmann, als Präsident des Festkomitees, eine außerordentlich schöne, herzliche und tiefdurchdachte Rede, nach welcher er ihm unser Festgeschenk, einen sehr schönen, prachtvollen, silbernen Pokal, von Strube in Leipzig für 130 Taler gearbeitet, überreichte.

    Virchow war sehr überrascht, erfreut und, soviel es sein kalter Verstand zuläßt, selbst gerührt. Er antwortete und dankte in einer sehr langen und vortrefflichen Rede, in welcher er uns sein ganzes wissenschaftliches und damit zugleich auch politisches und religiöses Glaubensbekenntnis auseinandersetzte, sehr offen, wahr und liberal, und deshalb von uns mit Begeisterung aufgenommen. Virchow wies namentlich darauf hin, wie sein ganzes wissenschaftliches und menschliches Streben und Denken, Dichten und Trachten einzig und allein der rücksichtslosen, unbedeckten Wahrheit, ihrer vorurteilsfreien Erkenntnis und unveränderten Verbreitung gelte; wie er in dem konsequenten Streben nach diesem einen Ziel seine einzige Befriedigung finde, sich dadurch viel Feinde, aber auch tüchtige und edle Freunde und Schüler erwerbe, und wie er diesen Weg der rücksichtslosen, lautern Wahrheit stets verfolgen werde, auch in Zukunft, unbeirrt von allen Anfeindungen. Dann ermunterte er uns, immer in unserm Streben zu beharren, da die studierende Jugend, und insbesondere die medizinische ... das einzige kernhafte Element sei, aus dem sich immer wieder ein guter Stamm deutscher Männer voll Wahrheit und Kraft rekrutieren könne. Dazu ermahnte er uns, immer mehr alle Vorurteile abzulegen, mit denen wir leider von Kind auf an so vollgestopft werden, und die Dinge so einfach und natürlich anzusehen, wie sie sind. Er schloß mit einer Schilderung seiner ganzen bisherigen Laufbahn und hob namentlich hervor, wieviel er Würzburg verdanke, weshalb ihm dies teuer war und ihm immer lieb und wert sein werde.

    Beckmanns Rede gefiel mir eigentlich noch besser, da er nicht nur die Verstandesseite berücksichtigte und Virchows glänzende Verdienste um die Wissenschaft sehr hübsch hervorhob, sondern auch dem Gemüt sein Recht ließ und mit Wärme den großen Einfluß dartat, den sich Virchow zugleich um unsere rein menschliche Ausbildung erworben."

    Auf der Abschiedsfeier versuchte ein orthodoxer Katholik, den die antiklerikale Einstellung des liberalen Berliners schon lange geärgert hatte, Virchow ein letztes Mal zu provozieren. Die folgenden Reibereien schilderte Haeckel ebenfalls seinen Eltern.