Berufung nach Würzburg
Virchows Berufung auf den Lehrstuhl für Pathologie in Würzburg
Würzburg besaß seit 1845 einen Lehrstuhl für pathologische Anatomie, den einzigen neben Wien im deutschsprachigen Raum. Nach dem frühen Tod 1848 des ersten Inhabers, Bernhard Mohr, sprach sich die medizinische Fakultät 1849 als Nachfolger für Virchow aus, dessen Renomme dank seiner zahlreichen Publikationen bis nach Bayern gedrungen war. Während die Fakultät Virchow „Genialität der Auffassung“, „Klarheit der Darstellung“ und „gediegene Gelehrsamkeit“ attestierte, runzelte man im Münchener Kultusministerium die Stirn über die sozial- und medizinreformerischen Ideen des Berliner „Radikalen“, wie sie insbesondere in seinem Bericht über das oberschlesische Notstandsgebiet zum Ausdruck gekommen waren. Der Universitätssenat argumentierte demgegenüber mit dem erwarteten „beträchtlichen Zuwachs von Lehrkraft und Talent“ und bat den bayerischen König um Erlaubnis zur Aufnahme der Berufungsverhandlungen:
„Eure Majestät möge bewilligen, daß mit Dr. Virchow, Privatdozent an der Universität zu Berlin, wegen Übernahme der ordentlichen Professur an der pathologischen Anatomie an hiesiger Hochschule mit einem Jahresgehalt von 1.200 Gulden in Unterhandlung getreten werde.“
König Max II, der den liberalen Neuanfang der bayerischen Universitäten förderte, willigte ein unter der Voraussetzung, daß Virchow sich zum Verzicht auf die öffentliche Verbreitung seiner politischen Überzeugungen verpflichtete, wie er sie als Radikaler während der 48er Revolution in Berlin, in seinem Bericht über die oberschlesische Typhusepidemie sowie als engagierter Herausgeber der Zeitschrift "Medizinische Reform" zum Ärger des preußischen Kultusministers verbreitet hatte. Er solle versichern, „bei sich etwa ergebender Gelegenheit nicht auch Würzburg zum Tummelplatz seiner früher kundgegebenen radikalen Tendenzen“ zu machen. Virchow erklärte sich einverstanden und schrieb einem Kollegen: "Ich habe keine Absicht, Politiker von Profession zu werden. - Bis jetzt habe ich keinen politischen Ehrgeiz". Der sollte erst nach seiner Rückkehr nach Berlin 1856 wieder erwachen.
Im Mai 1849 erhielt Virchow das förmliche Angebot aus Würzburg, in dem es heißt, seine „ausgezeichneten Leistungen im Gebiete der pathologischen Gewebelehre“ hätten die Blicke der Wissenschaft auf ihn gelenkt; der Senat fragt anschließend, ob er „die öffentliche, ordentliche Professur der pathologischen Anatomie mit der Leitung der klinischen Leichenöffnungen übernehmen wolle“. Außerdem erwartete man von ihm, „die pathologische Gewebelehre vorzutragen, welches Kolleg bisher mit 10 Gulden honoriert wurde“. Zusätzlich habe er das Recht zu Privatkursen zur Aufbesserung seines Gehaltes.
Virchow antwortete postwendend, er sei bereit, „zum nächsten Wintersemester in Würzburg einzutreten“. Am 21. August erhielt der Berliner seine Ernennungsurkunde zum ordentlichen Professor. Am 30. Oktober fand der Umzug statt.
Parallel zu Würzburg hatte Virchow Berufungsverhandlungen mit den Universitäten in Gießen und Zürich geführt. Für die Stadt am Main sprachen die größere Attraktivität der durch die Rineckerschen Berufungen verjüngten medizinischen Fakultät sowie das staatliche Juliusspital, eines der größten in Deutschland mit entsprechend hoher Sektionsfrequenz.